Erscheinungsjahr: 2018
Fläche: 1141748 km2 | Bevölkerung: 48654000 |
Religion | Prozent |
---|---|
Christen | 95.20 % |
Spiritisten | 1.00 % |
Agnostiker | 2.60 % |
Andere | 1.20 % |
«Die Religionsfreiheit in Kolumbien ist direkt mit der komplexen politischen Situation des Landes verwoben, die durch Konflikte überschattet wurde. Durch das Wiederaufflammen von Gewalt sind der Klerus und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften einem grösseren Risiko ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für Regionen, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind.»
Artikel 1 der Verfassung des Landes2 definiert Kolumbien als ein der Rechtsstaatlichkeit verpflichtetes Land. Weiterhin wird dort festgelegt, dass das Land demokratisch und pluralistisch orientiert ist und auf der Achtung der Menschenwürde und der Solidarität gründet und das öffentliche Interesse eine Vormachtstellung einnimmt. Die Regierung überwacht Ämter und Behörden, die dafür zuständig sind, das Leben, die Würde, den Glauben und andere im Rechtssystem verankerte persönliche Freiheiten zu schützen.
Der kolumbianische Staat verbietet jegliche Form von Diskriminierung, darunter auch religiös motivierte Diskriminierung. Gewissens-, Religions- und Kultusfreiheit werden als grundlegende Rechte anerkannt.3
Gemäss dem Verfassungsgericht Kolumbiens, dem höchsten Gericht zum Schutz der Menschenrechte, wird die Gewissensfreiheit auf drei Wegen realisiert: „(i) Niemand darf aufgrund seiner Überzeugung oder seines Glaubens belästigt oder verfolgt werden; (ii) kein Mensch darf dazu gezwungen werden, seine Überzeugung preiszugeben, und (iii) niemand darf dazu verleitet werden, gegen sein Gewissen zu handeln.“4 Das Recht auf Gewissensfreiheit ist jedoch nicht absolut und birgt Einschränkungen, die auf dem Respekt der Rechte Anderer basieren.
Obwohl beide sehr eng miteinander verknüpft sind, werden Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit als zwei unterschiedliche Rechte betrachtet. So wird in Kolumbien zwar das Recht auf Gewissensfreiheit garantiert, jedoch sind Aktivitäten, die sich gegen religiöse Anschauungen richten, verboten.5
Anknüpfend an ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl sieht Artikel 19 der Verfassung vor, dass „alle Religionen und Kirchen vor dem Gesetz gleich sind“.6 Aus diesem Grund gehört zum kolumbianischen Innenministerium auch ein Amt für Religiöse Angelegenheiten, das für die rechtliche Anerkennung nicht-katholischer Glaubensgemeinschaften zuständig ist. Laut Daten des Innenministeriums sind „im staatlichen Register 6.500 Religionsgemeinschaften verzeichnet, und 90 % der Bevölkerung üben eine Religion aus”.7 Christen machen 95 % der Bevölkerung aus, 90,04 % davon sind Katholiken.
Am 6. März 2018 setzte das kolumbianische Innenministerium Dekret 437 um, ein neues Gesetz über Religionsfreiheit.8 Noch ist es jedoch zu früh, um eventuelle Erfolge messen zu können.
Im Februar 2017 urteilte das Verfassungsgericht über eine Bürgerinitiative, die die Verfassungsmässigkeit des Gesetzes 891 aus dem Jahr 2004 in Frage stellte, laut dem „die Prozessionen der Karwoche sowie das religiöse Musikfestival von Popayán zum nationalen Kulturerbe Kolumbiens erklärt werden”. Obwohl die Kläger der Annahme waren, dass dieses Gesetz die Religions- und Kultusfreiheit verletze, verkündete das Gericht, dass eine Verletzung jener Rechte nicht bestünde, da das Gesetz auf keine offizielle Religion Bezug nehme und solche Feierlichkeiten lediglich als Teil des nationalen Kulturerbe Kolumbiens erklärt würden. Weiterhin erklärte das Gericht, das Gesetz stehe im Einklang mit der verfassungsmässigen Verpflichtung des Staates, das nicht-materielle Kulturerbe des Landes anzuerkennen und zu preisen.9
Am 27. Juli 2017 wurde Pater Diomer Chavarría in der Gemeinde Puerto Valdivia ermordet. Der Kleriker „brachte in der vergangenen Nacht des 27. Juli in der Ausübung seiner Mission das höchste Opfer”10, so die Stellungnahme der Diözese.
Ein weiterer tragischer Vorfall ereignete sich knapp drei Monate später, am 3. Oktober 2017, als der 41-jährige Pater Abelardo Antonio Muñoz Sánchez in San Antonio, einem Stadtteil von Rionegro, ein an der Hauptstrasse nach La Ceja gelegenen Ort, ermordet wurde. Zwei Kriminelle hatten ihn beim Aussteigen aus einem Taxi konfrontiert.11 Im selben Monat wurde in Palmira ein Friedhof entweiht. In einer Stellungnahme zu diesen und ähnlichen Vorkommnissen sagte Pater Dimas Orozco, der Gemeindepriester von La Buitrera, dass es „zahlreiche Menschen gibt, die solch satanische Rituale vollziehen und dabei die Gebeine von Verstorbenen entfernen, um frevlerische Handlungen zu praktizieren“.12
Am 22. Mai 2018 berichtete die Diözese von Fontibón über einen „Angriff einer Gruppe Unbekannter auf den Schrein der Heiligen Barmherzigkeit in Bogotá”. Die Übeltäter beschädigten mehrere Fenster des Schreins und das Gemeindebüro, die Auditorien und das Pfarrhaus, die das Zuhause von Pater Jesús Hernán Orjuela waren.13 Ausserdem wurden die Friedhöfe von Puente Sogamoso und Honda entweiht.14
Das Urteil C-100 von 2018 gehört vielleicht zu den am ehesten religiös konnotierten Rechtsverfahren in Kolumbien.15 Am 22. März wies das Verfassungsgericht einen Antrag eines in Haft befindlichen Pfingstlers ab, der angab, sein Recht auf Religions- und Kultusfreiheit sei verletzt worden, weil er an Sonn- und Feiertagen nicht arbeiten durfte, um so sein Strafmass zu mindern. Seiner Ansicht nach wurden seine Rechte verletzt, da er gezwungen wurde, die katholischen Feiertage anzuerkennen.16 In seinem Urteil erklärte das Gericht, dass solche Rechte nicht absolut seien und mit vertretbaren Einschränkungen verbunden seien. In diesem Fall sei das Recht auf Kultusfreiheit des Häftlings nicht verletzt worden, vielmehr diene das Arbeitsverbot dazu, den Häftlingen einen Ruhetag zusichern zu können und gebe ihnen die Möglichkeit, an den anderen Tagen so lange zu arbeiten, wie es der Gefängnisdirektor erlaube.17
Die Religionsfreiheit in Kolumbien ist direkt mit der komplexen politischen Situation des Landes verwoben, die durch Konflikte überschattet wurde. Durch das Wiederaufflammen von Gewalt sind der Klerus und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften einem grösseren Risiko ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für Regionen, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind.18 In den vergangenen zwei Jahren hat sich in weiten Teilen des Landes die Zahl an Ereignissen, in die bewaffnete kriminelle Banden involviert waren, vervielfacht. In diesen Regionen führte Gewalt in den letzten 50 Jahren zur Vertreibung von mehr als 6,8 Millionen Kolumbianern, davon allein bereits 63.000 im vergangenen Jahr. Demnach ist Kolumbien laut dem Unified Victims Registry nach Syrien das Land mit der zweithöchsten Anzahl an Binnenflüchtlingen weltweit.19