Erscheinungsjahr: 2018
Fläche: 1964375 km2 | Bevölkerung: 128632000 |
Religion | Prozent |
---|---|
Christen | 95.90 % |
Ethno-religiöse Gruppen | 1.10 % |
Agnostiker | 2.70 % |
Andere | 0.30 % |
«Innerhalb des Berichtszeitraum ist die Anzahl der Angriffe auf Priester und andere Seelsorger im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen. Mit dem weiteren Erstarken der organisierten Kriminalität sinken gleichzeitig die Chancen auf ein Ende der Gewalt gegen Priester.»
Artikel 1 der mexikanischen Verfassung1 besagt, dass alle staatlichen Institutionen verpflichtet sind, die Menschenrechte zu fördern, zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Der gleiche Artikel verbietet jede Diskriminierung auf Grundlage von ethnischer oder nationaler Herkunft, Alter, Behinderung, sozialem Umstand, Gesundheitszustand, Religion, Meinung, sexueller Ausrichtung, Familienstand oder jeglichem anderen Faktor, auf dessen Grundlage die Menschenwürde verletzt werden könnte.
Artikel 3 der Verfassung besagt, dass staatliche Bildung säkular zu sein hat, ohne Bezüge zu religiösen Lehren.
Artikel 24 der Verfassung greift Elemente aus Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf. So heisst es dort: „Jede Person hat das Recht auf eigene ethische Überzeugungen, auf Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Freiheit, die Religion ihrer Präferenz zu haben oder anzunehmen. Diese Freiheit beinhaltet das Recht, alleine oder in Gruppen, an privaten oder öffentlichen Zeremonien, Gebetsversammlungen oder religiösen Handlungen des jeweiligen Glaubens teilzunehmen, solange die jeweilige Person nicht für ein Verbrechen oder Vergehen verurteilt wurde.“ Weiterhin heisst es: „Niemand darf öffentlich stattfindende religiöse Veranstaltungen zu politischen Zwecken nutzen, sowie für politische Kampagnen oder politische Propaganda.“
Artikel 27 bestimmt, inwieweit religiöse Vereinigungen Vermögen erwerben, besitzen und verwalten dürfen. Was eine religiöse Vereinigung ausmacht, wird in Artikel 130 der Verfassung dargelegt, sowie im Gesetz über religiöse Vereinigungen und öffentliche Anbetung2. Dieses Gesetz regelt auch Artikel 24 der Verfassung.
Artikel 55 und 58 der Verfassung verbietet Mitgliedern des Klerus, sich in das mexikanische Abgeordnetenhaus oder den Senat wählen zu lassen.
Artikel 130, der die Trennung von Kirche und Staat vorschreibt, besagt ausserdem, dass Kirchen und religiöse Gruppen nicht als solche rechtlich anerkannt werden können, solange sie nicht ordentlich behördlich registriert wurden. Staatliche Behörden wiederum dürfen nicht in die inneren Angelegenheiten der religiösen Vereinigungen eingreifen. Mexikanische Bürger dürfen den Glauben und die Religion ihrer Wahl offen ausüben.
Das Gesetz über religiöse Vereinigungen und öffentliche Anbetung bestimmt, dass Mitglieder des Klerus keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen. Sie haben aktives, aber kein passives Wahlrecht. Sie dürfen sich weder zu politischen Zwecken zusammenschliessen noch für oder gegen politische Kandidaten, Parteien oder Vereinigungen predigen. Sie dürfen sich weder während öffentlichen Versammlungen und religiösen Feiern, noch in religiösen Veröffentlichungen und religiöser Propaganda gegen Bundesgesetze oder staatliche Institutionen aussprechen. Mitglieder des Klerus können keine Erbschaften von Menschen empfangen, die sie pastoral betreut haben und mit denen sie nicht mindestens im vierten Grad verwandt sind.
Des Weiteren dürfen weder religiöse Vereinigungen noch Mitglieder des Klerus Rundfunklizenzen besitzen oder verwalten. Ausgenommen sind gedruckte Publikationen religiöser Natur.
Weiterhin enthält das Gesetz 32 Artikel zur Regelung folgender Bereiche: Umwelt, Gründung und Verwaltung religiöser Vereinigungen; deren Mitarbeiter, Mitglieder sowie Vertreter des Klerus; deren traditionelle Verwaltungsformen; deren öffentliche religiöse Zeremonien; die Rolle der Behörden; sowie Verstösse und Strafen. Das Gesetz bestimmt weiterhin, dass religiöse Überzeugungen niemanden von der Befolgung staatlicher Gesetze entbinden. Der Staat übt seine Autorität über religiöse Aktivitäten aus, seien sie von Einzelpersonen oder Gruppen ausgeübt, sobald diese gegen die Vorschriften der mexikanischen Verfassung, gegen von Mexiko ratifizierte internationale Abkommen sowie gegen andere gültige Rechtsvorschriften verstossen.
Kirchen und andere religiösen Gruppen müssen bestimmte Vorgaben erfüllen, bevor sie gesetzlich anerkannt werden können.3 Religiöse Vereinigungen haben das Recht, Verwaltungsstrukturen einzurichten, um ihre Aktivitäten, öffentliche religiöse Veranstaltungen, private Wohlfahrtseinrichtungen oder Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zu verwalten– solange diese gemeinnützig sind.
Wenn öffentliche religiöse Veranstaltungen ausserhalb der dafür bestimmten Räumlichkeiten stattfinden sollen, müssen die Organisatoren die Behörden im Vorfeld informieren. Die Behörden behalten sich das Recht vor, Veranstaltungen zu verbieten, aus Gründen der Sicherheit, Gesundheit, bzw. wenn sie gegen die öffentlichen Sitten verstossen, die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährden oder die Rechte Dritter einschränken.
Das Bundesgesetz zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung4 verbietet die Einschränkung der freien Meinungsäusserung, der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, der Ausübung von religiösen Praktiken oder Bräuchen – es sei denn diese gefährden die öffentliche Ordnung.
Am 11. Mai 2018 wurde eine Erweiterung des Allgemeine Gesundheitsgesetzes beschlossen. Diese ermöglicht dem Gesundheits- und Pflegepersonal innerhalb des staatlichen Gesundheitssystem, die Ausführung bestimmter Dienstleistungen, die eigentlich Teil ihrer Arbeit sind, aus Gewissensgründen abzulehnen, wenn diese ihren Überzeugungen widersprechen. Ausgenommen sind Fälle, in denen das Leben des Patienten in Gefahr ist bzw. medizinische Notfälle Darüber hinaus besagt die Gesetzeserweiterung, dass diese Verweigerung aus Gewissensgründen keine Grundlage für die Diskriminierung von Beschäftigten darstellen darf.5 Die Gesetzeserweiterung betrifft ausschliesslich Gesundheits- und Pflegepersonal. Allgemeine Einschränkungen für die Verweigerung von bestimmten Leistungen aus Gewissensgründen bleiben bestehen.
Am 12. April 2018 legten die Abgeordneten Carlos Iriarte Mercado und José Hugo Cabrera Ruiz einen Gesetzesentwurf vor, der einige Bestimmungen des Gesetzes über religiöse Vereinigungen und öffentliche Anbetung erweitern und andere ausser Kraft setzen würde.6 Sollte dieser Entwurf umgesetzt werden, würde er den Schutz der Religionsfreiheit verbessern, da die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Gesetzgebung anderer OECD-Mitgliedstaaten angepasst werden würde. Vorgeschlagene Änderungen umfassen verschiedene persönliche Rechte. Darunter das Recht bestimmte Dinge auf Grundlage von religiösen oder ethischen Prinzipien zu verweigern; das Recht sich zu versammeln, friedlich für etwas zu demonstrieren; die eigenen religiösen Überzeugungen in Verbindung mit Fragen öffentlichen Interesses zu äussern; sowie das Recht, einer religiösen Vereinigung Geld- oder Sachleistungen zukommen zu lassen. Eine weitere Änderung würde es religiösen Vereinigungen erlauben, ohne Einwilligung des Innenministerium Landbesitz zu erwerben sowie Rundfunklizenzen für Radio, Fernsehen oder andere Medien zu besitzen oder zu verwalten.
Während des Berichtzeitraums nahmen die gegen Priester verübten Gewalttaten weiter zu. Am 5 Juli 2017 wurde Pater Luis López, Priester der Diözese Nezahualcóyotl, in seinem Haus im Bundesstaat Mexiko ermordet.7 Schon am 15 Mai. 2017 war Pater José Miguel Machorro an der Kathedrale von Mexiko-Stadt angegriffen worden. Im August erlag er seinen Verletzungen.8
Am 4. Februar 2018 wurden Pater Germaín Muñiz, Priester der Diözese Chilpancingo-Chilapa, und Pater Iván Añorve, Priester der Erzdiözese Acapulco, ermordet. Sie waren im Bundesstaat Guerrero auf der Schnellstrasse von Iguala nach Taxco unterwegs gewesen.9
Im April wurden drei weitere Priester ermordet.10 Pater Rubén Alcántara, Priester der Diözese Izcalli, wurde am 19 April in seiner Pfarrei im Bundesstat Mexiko mit einem Messer angegriffen. Am 21. April wurde Pater Juan Miguel, Priester der Erzdiözese Guadalajara im Bundesstaat Jalisco, in seiner Pfarrei von zwei bewaffneten Männern angegriffen. Pater José Moisés, Priester der Erzdiözese Mexiko, wurde am 27. April tot im Bundesstat Morelos aufgefunden, nachdem seine Familie seine Entführung gemeldet hatte.
Einige Priester berichten von Drohungen und Erpressungsversuchen durch das organisierte Verbrechen. An einigen Orten sind Schutzmassnahmen getroffen worden. So gab die Diözese Zacatecas im Mai 2018 bekannt, dass vorerst keine Abendmessen stattfinden würden, um Priester vor Angriffen zu schützen.11
Am 25. Juli 2017 detonierte ein Sprengsatz an der Eingangstür des Hauptsitzes der Katholischen Bischofskonferenz von Mexiko, der nur wenige Meter von der Basilika von Guadalupe entfernt liegt.12
Katholische Würdenträger haben diese auf Priester gerichtete Gewalttaten verurteilt. Bischof Salvador Rangel aus der Diözese Chilpancingo im Staat Guerrero berichtete, dass bereits Priester ihre Gemeinden verlassen würden, da sie mit dem Tode bedroht worden seien.13 Pater Omar Sotelo, Vorsitzender des Katholischen Multimedia-Zentrums, erklärte, Mitglieder des Klerus seien vor ihrer Ermordung bedroht und gefoltert worden.14 Der Erzbischof von Morelia im Bundesstaat Michoacán, Carlos Garfias Merlos, bezeichnete die gegen Mitglieder des Klerus gerichtete Gewalt und die in vielen Gemeinden weit verbreitete Unsicherheit als Bedrohungen für die Arbeit der Kirche.15
Neben den Gewalttaten gegen Priester beklagte der Bischof von Cuernavaca im Staat Morelos, Ramón Castro, die Gängelung durch die Regierung des Bundesstaates.16 Als Reaktion auf diese Aussage beschuldigte der Gouverneur des Bundesstaates, Graco Ramírez, den Bischof der Verschwörung gegen seine Regierung. Dieser treffe sich mit Oppositionellen und habe in einer Gemeinde der Diözese zur Gewalt aufgerufen.17 Laut Aussage des Bischofs dauert diese Verfolgung seit 2013 an.18
Die Katholische Kirche ist nicht die einzige religiöse Einrichtung, die von Gewalt betroffen ist. Auch Mitglieder des Klerus andere Bekenntnisse berichten von Raubüberfällen, Entführungen und Erpressungen. Einer davon ist Arturo Farela, Vorsitzender der Nationalen Bruderschaft der Evangelikalen Christlichen Kirchen. Farela erklärte, die am meisten von Gewalt betroffenen Bundesstaaten seien Chiapas, Oaxaca, Jalisco, Veracruz, Guerrero, Coahuila und Chihuahua.19
Die Mexikanische Kommission für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte stellte fest, dass keine genauen Angaben dazu existieren, wie viele Menschen aus religiösen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, da die zugrunde liegenden Konflikte oft politische, territoriale und religiöse Faktoren vermischten.20
Am 4. Dezember 2017 wurden in Tuxpan de Bolaños im Bundesstaat Jalisco 48 Mitglieder der indigenen Ethnie der Huicholen aus ihrer Gemeinde verstossen. Sie waren zu anderen Religionen konvertiert (darunter Jehovas Zeugen, Evangelikale und Baptisten) und hatten sich geweigert, Positionen in der Lokalregierung einzunehmen, was gegen ihren religiösen Glauben verstossen hätte.21
Am 15. März 2018 beklagte Luis Herrera von der Organisation „Christliche Stimmen“, dass in San Miguel Chiptic, einem Dorf in der Gemeinde Altamirano im Staat Chiapas, Menschen drei Wohnhäuser zerstört hatten, die Familien gehörten, die zur Adventistischen Kirche konvertiert waren. Er fügte hinzu, die lokalen Behörden würden keine Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass die Anwohner ihren Glauben frei ausüben könnten.22
Am 21. April 2018 griff eine Gruppe bewaffneter Personen in Acteal, einem Dorf in der Gemeinde Chenalhó im Staat Chiapas, ein Haus der katholischen Vereinigung „Die Bienen“ an. Mitglieder der angegriffenen Vereinigung berichteten, die Angreifer seien Mitglieder der „Grünen Ökologischen Partei Mexikos“ gewesen, welche die Lokalregierung anführt. Einige Wochen später rief die Pfarrei Chenalhó zu einer Wallfahrt nach Acteal auf, entschied später jedoch dagegen, da die Gefahr attackiert zu werden, zu hoch sei. Das Dorf ist von besonderem Interesse, da es 1997 von einer paramilitärischen Gruppe angegriffen worden war, die dort 45 Menschen tötete.23
Innerhalb des Berichtszeitraum ist die Anzahl der Angriffe auf Priester und andere Seelsorger im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen.24 Mit dem weiteren Erstarken der organisierten Kriminalität sinken gleichzeitig die Chancen auf ein Ende der Gewalt gegen Priester. Mitglieder des Klerus befinden sich in einer besonders kritischen Situation, da sie Angriffe und Gängeleien, die sie selbst oder ihre Gemeinschaften betreffen, öffentlich anprangern und so organisierte Kriminalität und Regierung gegen sich aufbringen. Informationen zur Anzahl der religiösen Würdenträger, die durch organisierte Kriminalität ermordet wurden, sind relativ leicht zugänglich. Daten zu Drohungen, die sie tagtäglich aufgrund ihrer pastoralen Tätigkeit erhalten, sind demgegenüber nur schwer zu finden – ganz besonders in Regionen, wo die Konflikte am schwersten sind. Die katholischen Bischöfe Mexikos zeigen sich in Pressemitteilungen äusserst besorgt über die Situation. Sie fordern Gerechtigkeit für die ermordeten Priester und prangern die dramatische Lage im Land an.25 Die Behörden folgen diesen Aufrufen von Zeit zu Zeit, verlieren allerdings das Interesse, sobald die mediale Aufmerksamkeit wieder abnimmt.
Dazu kommt, dass es keine genauen Zahlen darüber gibt, wie viele Menschen ihre Heimat aufgrund von religiösen Gründen verlassen mussten. In vielen Fällen schaffen es diese Konflikte nicht in die internationale Berichterstattung, oder sie werden von den örtlichen Behörden nicht ausreichend verfolgt, so dass es nicht nachvollziehbar ist, inwieweit die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Das Recht auf Verweigerung bestimmter Leistungen aus Gewissensgründen, wie es in der Reform des Allgemeinen Gesundheitsgesetzes vorgesehen ist, stellt zwar einen Schritt in die richtige Richtung dar, ist aber noch nicht umfassend genug, da es nur für Gesundheits- und Pflegepersonal gilt. Dazu kommt, dass der Gesetzestext gegen die Bestimmungen des „Gesetzes über religiöse Vereinigungen und öffentliche Anbetung“ verstösst. So besagt Artikel 1 weiterhin: „Religiöse Überzeugungen berechtigen in keinem Fall zur Nicht-Einhaltung der Landesgesetze. Niemand kann religiöse Gründe anführen, um gesetzliche Verantwortungen und Pflichten zu umgehen.“ Dies sind Gründe für eine notwendige Überarbeitung des betreffenden Gesetzes.